Liebe Zukunftsfreunde,
eine Frage, die heute viele umtreibt: Wie viel Nähe, wie viel Emotion dürfen oder sollten wir im Business zulassen – zu unseren Kunden, zu unseren Mitarbeitern? Eine Frage mit durchaus strategischer Relevanz und großem Bezug zum Megatrend „New Work“.
In Workshops verwenden wir mit unseren Kunden meist das sogenannte Workshop-Du. Dies ist weniger förmlich und befördert daher den Ideenfluss. Mit vielen duzen wir uns danach weiter, andere wollen wieder gesiezt werden. Manche schwanken zwischen „Du“ und „Sie“ hin und her. Unsere schöne neue Arbeitswelt ist von einem großen Durcheinander geprägt – was viel damit zu tun hat, wie wir sozialisiert wurden.
Ich bin zu einer Zeit groß geworden, da stand auf den Briefen, die an mich adressiert waren, noch „Fräulein Friedemann“. Erwachsene wurden mit Respekt behandelt und selbstverständlich von uns gesiezt. Nur die engsten und besten Freunde der Eltern durften unter Umständen auch mit Du angesprochen werden. Und den höflichen Knicks musste ich auch noch lernen. „Alte“ Menschen, die wir duzen durften, waren mega-cool. So gab es beispielsweise den Briefträger Werner, der von Distanziertheit so gar nichts hielt, der stets fröhlich und gut gelaunt mit seinen blonden langen Haaren und kurzen Jeans die Post brachte und dabei gerne quer über den Hof rief: „Christiane, ich habe Post für Dich!“ Und mir auch gerne die Postkarten aus den Urlaubsländern meiner Freundinnen direkt bei der Übergabe vorlas.
Ein anderer megacooler „junger Alter“ war mein Tennistrainer Norman. Norman war bestimmt schon mindestens 25 Jahre ALT. Einmal haben wir in einer großen Gruppe sogar gemeinsam Silvester bei ihm zuhause gefeiert. Dort habe ich ein Ritual kennengelernt, was mich damals sehr beeindruckt hat: Kurz vor Mitternacht sind wir alle auf die Stühle gestiegen, haben uns an den Händen gehalten und sind gemeinsam ins neue Jahr gesprungen. In gewisser Weise war dies mein erstes Warm-up in einem Teamevent. Danach hatte ich wirklich das Gefühl, diese Menschen werden in dem frisch angebrochenem Jahr für mich da sein. Norman war dies als mein Tennistrainer in jedem Fall. Auch wenn es im Tennis nicht für eine Karriere gereicht hat, so habe ich doch viel darüber gelernt, wie ich Menschen etwas beibringen, sie begeistern und ein gutes Team formen kann. Diese fröhliche Art, die Leidenschaft für die Sache und die Offenheit gegenüber allen Menschen haben mich als jungen Menschen damals sehr beeindruckt.
Fröhlichkeit, Herzlichkeit, Offenheit und Vertrauen sind auch heute noch die zentralen Werte in der Zusammenarbeit mit unseren Kunden. Denn nur wenn wir die Menschen wirklich erreichen, wenn sie zu uns Vertrauen haben, können wir gemeinsam Innovationen erschaffen, die nicht nur Kundenbedürfnisse erfüllen, sondern auch für das Unternehmen UND die Mitarbeiter sinnvoll sind. Nur wenn es uns gelingt, Nähe aufzubauen und uns gegenseitig in die Karten schauen lassen, können wir mit dem Kunden eine Kulturveränderung schaffen. Unser Ziel ist es immer, die einzelnen Individuen in einem Unternehmen auf einer sehr persönlichen Ebene zu erreichen.
Momentan wird viel darüber diskutiert, ob es eine Stärke ist, wenn Führungskräfte Schwäche zeigen. Oder anders ausgedrückt: Ist es okay, auch mal richtig wütend zu sein oder zu sagen, dass man Angst vor einer Veränderung hat? Oder dass die private Situation zu Hause gerade den Job sehr belastet? Ich bin zutiefst davon überzeugt: Das ist nicht nur okay. Das ist sogar notwendig. Alles andere ist nicht echt. Dann reden wir um den heißen Brei rum und bauen keine echte Verbindung zu unserem Gegenüber auf. Unsere (Arbeits-)welt wird immer komplexer. Also sollte unsere Sprache, unser Miteinander, einfacher werden. Wer seine Gefühle zeigt, kommuniziert klarer. Zu viel Emotion ist ein sehr viel geringeres Problem als das Gegenteil – nämlich zu wenig Emotion.
Zum Abschluss möchte ich zu einem kleinen Experiment auffordern: Biete heute einem Menschen, den den du schon lange gerne besser kennenlernen wolltest, das Du an. Du wirst überrascht sein!
Und probiere das Workshop-Du bei nächster Gelegenheit aus, wie wir es auf der folgenden Methoden-Karte aus unserem Trend-Innovation-System beschreiben. Oder lass dich von uns duzen, z.B. bei unserem nächsten Meetup „New Work mit Liberating Structures“ am 17. April 2019.
Viele Grüße
Christiane Friedemann
© Zukunftsinstitut Workshop GmbH |